Johannis-Freimaurerloge »Vorwärts«
i.O. Mönchengladbach

Home     Übersicht     Leitgedanken     Logenchronik     Aufnahme     Termine/Arbeitsplan     Kontakt     Links

Abriss der Geschichte der Loge „Vorwärts“

Die Loge „Vorwärts“ wurde am 28. September 1846 gegründet. Was war das für eine Zeit, was war das für ein Jahr?

Nach der vernichtenden Niederlage Preußens 1806 in der Schlacht bei Jena und Auerstedt  gegen die Truppen Napoleons I. verlor der Staat im Frieden von Tilsit etwa die Hälfte seines Gebietes und musste ein Bündnis mit Frankreich eingehen. Doch nach der Niederlage der Franzosen in Russland beteiligte sich Preußen an den Freiheitskriegen gegen die Franzosen, und Generalfeldmarschall Blücher, genannt Marschall „Vorwärts“, trug in der Schlacht von Waterloo 1815 wesentlich zum Sieg über Napoleon bei. Beim Wiener Kongress im selben Jahr erhielt Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. beinahe sein altes Staatsgebiet zurück sowie unter anderem die Rheinprovinz. 1840 kam Friedrich Wilhelm IV. an die Macht.

Die so genannte Rheinprovinz hatte ihre Hauptverwaltung in Koblenz und zog sich als nahezu geschlossenes Gebiet vom Hunsrück bis zum oberen Niederrhein. Der Stadtkreis München-Gladbach gehörte zum Regierungsbezirk Düsseldorf. Das Rheinland ist historisch von den Auseinandersetzungen mit den Franzosen und von der Industrialisierung geprägt worden. Die politische und kulturelle Eingliederung der Rheinprovinz in den Staat Preußen war eine große Herausforderung. Schließlich war das Rheinland damals sehr modern, was Industrie und Handel betraf, und das Bürgertum war selbstbewusst, während das übrige Preußen noch weitgehend agrarisch geprägt und der Vorrang des Adels unumstritten war. Vorbehalte gegenüber der neuen Obrigkeit gab es auch durch die mehrheitlich katholische Bevölkerung.

Im Jahr 1846, dem Gründungsjahr der Loge, wurde Papst Pius IX. gewählt, der Planet Neptun entdeckt, in Amerika die erste Operation mit Äther als Narkosemittel durchgeführt, in Jena die optischen Werke Carl Zeiss gegründet und in Berlin der erste Pferde-Omnibus in Betrieb genommen.

In diesen historischen Hintergrund ist auch die Freimaurerei eingebettet: Auch wenn Friedrich Wilhelm IV. – im Gegensatz zu seinem Vorgänger – nicht Freimaurer war, förderte er jedoch die Königliche Kunst nach Kräften, weil er – wie er selbst sagte – überzeugt sei, dass diejenigen seiner Diener, die Maurer seien, zu den vorzüglichsten Staatsdienern gehörten. Gerade die preußischen Regenten waren seit Gründung der ersten Loge in Deutschland aktive Mitglieder der Bruderschaft und häufig auch deren Großmeister. Selbst Napoleon I., der Besetzer des Rheinlandes, soll nach Angaben der Londoner Forschungsloge Quatuor Coronati auf Malta in den Freimaurerbund aufgenommen worden sein, was allerdings nicht schriftlich belegt ist.

München-Gladbach war bis 1814 von den Franzosen besetzt, und schon vor dieser Zeit gab es in der Stadt Freimaurer, die unterschiedlichen Logen in umliegenden Orienten angehörten. So war Fürst Salm-Reifferscheidt-Dyck beispielsweise Mitglied der Loge „Zur Beständigkeit und Eintracht“ in Aachen, andere arbeiteten in Kölner, Düsseldorfer, Jülicher und Amsterdamer Logen. Dabei muss man berücksichtigen, dass damals bis Düsseldorf oder Jülich eine Kutschenfahrt von 6 Stunden notwendig war, bis Köln gar eine Tagesreise. So gestaltete sich eine Tempelarbeit zu einem Dreitage-Ausflug mit zwei Übernachtungen. Knapp dreißig Freimaurer lebten damals in der Stadt, unter ihnen der agile Major a.D. und Bürgermeister von Wevelinghoven, Samuel Friedrich Biegon von Czudnochowsky, der als „Motor“ der Gründung einer Freimaurerloge in München-Gladbach auftrat. Am 28. Juni 1845 unterzeichneten 27 Brüder das Gründungsgesuch, das an die „Große National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln“ nach Berlin geschickt wurde. Am 24. September 1845, also vor 160 Jahren, genehmigte die Großloge die Gründung einer Loge unter dem Namen „Vorwärts“.

Nun stellte sich immer wieder die Frage, ob sich dieser Name aus Verehrung für den Fürsten Blücher, den „Marschall Vorwärts“, der ja auch aktiver Freimaurer war, herleitet. Aus der Einladung zur Eröffnung der Loge können wir die Antwort entnehmen: „…vorwärts wollen wir – das ist unsere Losung – vorwärts auf der Bahn rein menschlicher Veredelung, wie sie die maurerische Vollkommenheit fordert, die in der geheiligten Symbolik des Ordens jedem tiefer blickenden Auge sich darstellt; vorwärts dem im Osten flammenden Lichte entgegen, in dessen unvergleichlicher Klarheit allein mancherlei scheidende Elemente des Lebens zu jener höheren Einheit sich auflösen, darin die Weihe aller wahren Geselligkeit liegt; vorwärts…“

Die Namensgebung ergab sich also eindeutig aus freimaurerischer Intention. Die Lichteinbringung erfolgte erst ein Jahr später, als ein Logenhaus durch Anteilscheine und ein Darlehen von Br. Wilhelm Goeters aus Rheydt finanziert und gebaut werden konnte. Das erste Logenhaus lag im Dreieck der heutigen Rheydter Straße und Fliethstraße.

Neben Biegon von Czudnochowsky, der zum ersten Meister vom Stuhl gewählt wurde, waren unter den Gründungsmitgliedern noch heute bekannte Namen wie die des Bürgermeisters Büschgens, des Beamten Schmölder oder die der Kaufleute Roeder und Goeters. Im Laufe der Logengeschichte reihten sich zahlreiche prominente Bürger aus allen Berufs- und Amtsbereichen, vor allem auch Bürgermeister, in die heimische Bruderkette ein, die ihr Wissen, Können und humanitäres Engagement zum Nutzen der Stadt und ihrer Menschen einbrachten. Rund 25 Straßen sind heute in Mönchengladbach nach Freimaurern benannt.

Einem Mitgliederverzeichnis aus dem Maurerjahr 1872/73 entnehmen wir 87 aktive Mitglieder unter dem Stuhlmeister Wilhelm Goeters, 4 Ehrenmitglieder, 2 dienende Brüder und 7 Permanent besuchende Brüder anderer Logen. Hier fällt der Name Hermann Haas aus Waldniel, Mitglied der Loge „Perseverance“ zu Maastricht ins Auge. Im Jahr 1869, dem Todesjahr von Johann David Büschgens, fasste die Loge Vorwärts einen folgenschweren Entschluss, der die gesamte deutsche Freimaurerei in Aufruhr versetzte: Sie nahm den Juden Hermann Haas als ständig besuchenden Bruder an, ein ungeheures Ereignis für die bewusst christlich orientierte Großloge Preußens, die die Teilnahme nichtchristlicher Freimaurer  an ihren Veranstaltungen ausschloss. Die München-Gladbacher Bauhütte setzte sich mit ihrer Auslegung der „Alten Pflichten“, in denen die Formulierung „ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis“ Religionsfreiheit suggerieren konnte, durch und behielt Bruder Haas als ständig besuchenden Bruder. Die Loge „Vorwärts“ trat in der Folgezeit auch mehrfach für mehr Mitbestimmung der Tochterlogen und die Schaffung von Regionalverbänden bei der Großloge ein und brachte mehrfach weit reichende Anträge zu den Großlogentagen ein, die auch eine Einigung und Gesamtvertretung aller deutschen Logenverbände zum Ziel hatten. So konnte sie zur Jahrhundertwende 1900 einen Allgemeinen Maurertag in Berlin durchsetzen.

Büschgens und andere Freimaurer begründeten 1803 die Gesellschaft „Harmonie“ in Rheydt mit, und als das Haus der Gesellschaft in der Rheydter Hauptstraße zu klein wurde, kaufte es im Jahr 1877 die Loge „Vorwärts“, um es als Logenhaus zu nutzen. 1902 kaufte die Loge Vorwärts das villenartige Gebäude in der Wilhelm-Strater-Straße in Rheydt von der Familie Schött.

Das Ende des 19. Jahrhunderts brachte eine nationalistische Grundauffassung in die Gesellschaft, die sich sicher auch im Logenleben widerspiegelte. Die Identifikation mit dem Staat und seinen kriegerischen Auseinandersetzungen gipfelte im 1. Weltkrieg, der von den meisten Brüdern durch Teilnahme oder idealistisch unterstützt wurde, obwohl die Loge offiziell entsprechend ihrer Statuten keine politische Position bezog.

Sie bezog auch keine politische Position, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen und sich eine Verfolgung und Unterdrückung der Freimaurerei anbahnte. General a.D. Ludendorff fand im Weltjudentum und in der Weltfreimaurerei die passende Verschwörung für die Niederlage seiner Truppen und veröffentlichte seine Thesen im Traktat „Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse“. Dass sich das Hitler-Regime dieser wahnwitzigen Ideen, die Ludendorff bis zum Exzess vertrat, bedienen würde, war vorauszusehen. In der Loge Vorwärts entstand ein Zwiespalt unter den Brüdern: Sollte man sich wieder der rein christlichen Maurerei zuwenden oder die bestehende Bruderkette auch mit nichtchristlichen, d.h. jüdischen Maurern weiter verfolgen? Der Versuch, durch eine  Umbenennung in „Nationaler Christlicher Orden…“ konnte weder der Großloge noch ihrer Tochterloge „Vorwärts“ die Existenz im nationalsozialistischen Deutschland sichern; nach dem Auflösungsbeschluss von Reichsminister Göring 1935 kam es zur Auflösung am 8. Juli 1935. Das Logenhaus wurde von den Nationalsozialisten annektiert und ging in den Besitz der Stadt über. Es wurde nun von der NSDAP als Amtssitz genutzt, die auch das Mobiliar beschlagnahmte.

Aber eine Loge ist immer eine Loge; die Bruderkette bleibt bestehen, auch wenn die äußeren Umstände eine Tempelarbeit verhindern. So traten die Brüder in die Gesellschaft „Harmonie“ ein und trafen sich wöchentlich dort, obwohl die Gestapo alle Logenbrüder während der Nazizeit überwachte. Die Schikanen reichten bis zu Berufsverboten und Verhaftungen.

Nach Kriegsende gingen alle Bemühungen dahin, die Loge Vorwärts wieder zu konstituieren. Nach Prüfung durch die Militärregierung erfolgte die Genehmigung im Oktober 1947 und am 1. Dezember des selben Jahres in den Räumlichkeiten der „Harmonie“ die Neugründung, der im Mai 1948 die Rechtsfähigkeit durch den Regierungspräsidenten in Düsseldorf folgte. Da die ehemalige Mutterloge in Berlin noch keine Beziehungen zu den Logen in den Westsektoren aufnehmen konnte, schloss sich „Vorwärts“ der Großloge der Alten und Angenommenen Maurer von Deutschland an. Die Versammlungen fanden in der „Harmonie“ statt, die Tempelarbeiten in anderen Logen. Später mietete sich die Loge in der Gesellschaft „Erholung“ ein. 1971 konnte dann das Haus an der Gartenstraße erworben und umgebaut werden.

Mitglieder der Loge „Vorwärts“ halfen bereits 1853 bei der Gründung der Loge „EOS“ in Krefeld, Mitglieder arbeiteten beim Wiederaufbau der Loge „Wahrheit und Einigkeit zu den sieben vereinigten Brüdern“ in Jülich mit und die Loge pflegte auch besondere Beziehungen zur Loge „La Liberté Constante“ in Roermond. So entstand der Wunsch, über die Landesgrenzen hinweg den Gedankenaustausch zu pflegen. Im Jahr 1968 lud die Loge „Vorwärts“ erstmals Freimaurerlogen aus den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Deutschland zu Logentreffen ein, die in den Folgejahren in unregelmäßigen Abständen stattfanden.

Heute hat der Name „Vorwärts“ eine neue Bedeutung erlangt. Unter einem jungen Meister vom Stuhl beginnt sich das Logenleben zu erneuern, ohne modernistische Zugeständnisse, vielmehr durch die konsequente Wahrung ritueller und symbolischer Tradition. Ohne große Werbung finden Suchende ihren Weg zur Loge „Vorwärts“.      [W.R.]

Bürgermeister in der Loge