In Mönchengladbach sind rund 30 Straßen nach Freimaurern benannt. Nun
sind darunter auch viele, die nichts mit Mönchengladbach zu tun haben
und in fast jeder anderen Stadt auch Namensgeber sind: Künstler wie
Mozart oder Lessing, Staatsmänner wie Stresemann und Militärs wie Blücher
oder Scharnhorst. Es gibt allerdings nur zwei Berufsgruppen, die als Mönchengladbacher
Freimaurer in den Straßennamen verewigt sind: Bürgermeister und
Unternehmer, und manche waren beides.
Die Loge „Vorwärts“ wurde am 28. September 1846 gegründet. Zu den
Mitstiftern gehörte Johann David Büschgens (1782-1869), seit 1823 Bürgermeister
der Stadt Rheydt. Während Samuel Biegon Friedrich von Czudnochowski, Bürgermeister
in Wevelinghoven, zum ersten Meister vom Stuhl gewählt wurde, ernannte
man Büschgens zum deputierten, d.h. zugeordneten Stuhlmeister. Das
blieb er zwei Jahre bis er 1848 zum Meister vom Stuhl aufrückte.
Allerdings nur für ein Jahr, denn seine Amtsgeschäfte ließen ihm
nicht mehr Zeit, die Loge zu leiten. Aber seine Persönlichkeit und sein
humanitäres Engagement wirkten während seiner gesamten Mitgliedschaft
befruchtend auf die Brüder. Büschgens und andere Freimaurer begründeten
1803 die Gesellschaft „Harmonie“ in Rheydt mit, und als das Haus der
Gesellschaft in der Rheydter Hauptstraße zu klein wurde, kaufte es im
Jahr 1877 die Loge Vorwärts, um es als Logenhaus zu nutzen.
Johann David Büschgens
wurde 1782 als Spross einer alteingesessenen Rheydter Familie geboren.
In der elterlichen Essigfabrik absolvierte er eine kaufmännische Lehre.
Bereits mit 19 Jahren heiratete Büschgens Anna Catharina Wienands, die
ebenfalls einer angesehenen Rheydter Familie entstammt. Anstatt im
elterlichen Betrieb eine Stellung anzunehmen, gründete er eine eigene
Seidenspinnerei. Damit hatte Büschgens schon in jungen Jahren die
Zeichen der Zeit erkannt. Auch im öffentlichen Leben engagierte sich
der junge Unternehmer. So war er 1803 Mitbegründer der Gesellschaft
„Harmonie“, einem Verein von Männern, die die Vergnügungen der
Geselligkeit in angenehmer Unterhaltung gemeinschaftlich genießen
wollten, wie es in den Statuten hieß. 1808, also noch während der
französischen Besatzung, begann Büschgens als Beigeordneter (adjoint
au maire) in der städtischen Verwaltung von Rheydt. Während der
Befreiungskriege war er Kommandeur des 4. Bataillons der preußischen Bürgermiliz,
die im Umkreis von Mönchengladbach/Rheydt gebildet wurde. Bis 1823
blieb er zweiter Beigeordneter, dann ernannte ihn die königliche
Regierung in Düsseldorf nach dem Tod von Bürgermeister Dietrich Lenßen
zu dessen Nachfolger, da er – anders als der 1. Beigeordnete Dilthey -
bereit war, seine Tätigkeit als Unternehmer aufzugeben.
Büschgens wurde der erste
hauptamtliche Bürgermeister von Rheydt. Ihm wurde vom Gemeinderat ein
Jahressalär von 300 Talern sowie 250 Taler für Bürokosten
zugestanden. Büschgens Aera dauerte 34 Jahre. In dieser Zeit lenkte er
die Geschicke der Stadt mit Weitblick und glücklicher Hand. Nachdem er
die Verwaltung neu geordnet hatte – das Feuerwehrwesen wurde von ihm
bereits als Beigeordneter modernisiert -, schuf er die Grundlage für
das Stadtarchiv. Er engagierte sich für den Ausbau von Schulen und Straßen
und die Einrichtung von Eisenbahnverbindungen. Johann David Büschgens
stellte die Weichen für Industrieansiedlungen in Rheydt und schuf so
Zukunftsperspektiven für die aufstrebende Stadt und ihre Einwohner,
deren Zahl sich in wenigen Jahren verdoppelte. 1857 trat Büschgens –
er war mittlerweile 75 Jahre alt – aus Altergründen zurück. Die
Stadt ehrte ihren großen Sohn noch im gleichen Jahr mit der Ehrenbürgerwürde,
der ersten überhaupt in Rheydt, und erhöhte ihm die Pension. Im
gleichen Jahr verstarb der Stadtverordnete Dilthey und Büschgens wurde
in dessen Amt gewählt, das er bis 1864 ausübte. Dann wurde er bis zu
seinem Gang in den ewigen Osten am 12. Juli 1869 Beigeordneter. Seit
1953 heißt die Straße zwischen Feld- und Schmölderstraße ihm zu
Ehren Büschgensstraße.
Nach Büschgens Rücktritt wählte die Stadtverordneten-Versammlung nach
der neuen Städteordnung als neuen Bürgermeister Carl Theodor von
Velsen. Damit konnte Johann David Büschgens sein Amt wiederum einem
Freimaurer übergeben, der 1856 in die Loge „Zum Goldenen Schwerdt“
in Wesel aufgenommen worden war und im Juni 1857 in der Loge „Vorwärts“
angenommen wurde. Dass beide Brüder waren, war zu dieser Zeit nichts
Besonderes; wer als Politiker, Kaufmann, Unternehmer oder kulturell
Schaffender gewisses Ansehen erreicht hatte, ersuchte um Aufnahme in
eine Loge. Viele der in Mönchengladbach, Rheydt und Umgebung tätigen
Persönlichkeiten waren auch Mitglied auswärtiger Bauhütten.
Carl Theodor von Velsen war 1821 in Duisburg geboren worden und bei
seiner Wahl zum Rheydter Bürgermeister erst 36 Jahre alt. Ursprünglich
Kaufmann, wechselte er später in die Verwaltungslaufbahn, wurde 1848
Offizier, 1850 Polizeikommissar in Neuß, seit 1854 übte er die gleiche
Funktion in Viersen aus. Der neue Rheydter Bürgermeister hatte mit
einer dünnen Personaldecke die gewachsene Stadt zu verwalten, was immer
schwieriger wurde, vor allem, da die Außenbezirke mit ihren Honschaften
oft in Opposition zur Innenstadt standen. In die Amtszeit des Bürgermeisters
von Velsen fielen der amerikanische Bürgerkrieg und der preußisch-österreichische
Krieg, Konflikte, die die heimische Textilindustrie in eine
wirtschaftliche Krise brachten. Doch nach den Kriegen erholte sich die
Industrie langsam wieder und zog neue Unternehmen an, so dass sich auch
in von Velsens Amtszeit die Rheydter Bevölkerung auf 17.000 Einwohner
nochmals verdoppelte. Der Bürgermeister kümmerte sich besonders um die
städtische Armenpflege, das Erziehungs- und Schulwesen und förderte
die Bautätigkeit, so dass neue Straßen und Fabriken entstanden, ein
zusätzlicher Friedhof angelegt wurde und ein Postgebäude gebaut wurde.
Aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustandes trat Carl Theodor
von Velsen 1876 nach fast 20jähriger Amtszeit als Bürgermeister zurück,
wurde aber gleichzeitig in die Stadtverordnetenversammlung gewählt.
Dieses Mandat legte er aber schon am 8. Juni 1877 nieder, weil ihm die
Regierung das Bürgermeisteramt in dem kleinen Ort Materborn bei Kleve
angetragen hatte. Dort starb er am 22. Februar 1881. Die Stadt Mönchengladbach
ehrte diesen verdienten Bürgermeister durch die Namensgebung einer Straße.
Auf von Velsen folgte
Oberbürgermeister Emil Pahlke, der die Stadt Rheydt von 1877 bis zu
seinem Tod 1893 leitete. Pahlke war kein Freimaurer. Aber zu seinem
Nachfolger wurde wieder ein Bruder gewählt: der Rechtsanwalt Dr.
Wilhelm Strauß. Wilhelm Strauß wurde am 5. August im mecklenburgischen
Wismar geboren, kam aber bald nach Gladbach, weil sein Vater, ein
Oberlehrer, hierher versetzt wurde. Der junge Strauß hatte nach seiner
Militärzeit Jura studiert und promoviert. Strauß war der zweite
Rheydter Bürgermeister, der durch königlichen Erlass den Titel eines
Oberbürgermeisters führen durfte. In seiner Amtszeit wurde das neue
Rathaus am Marktplatz errichtet, Schulen gebaut oder erweitert, das neue
Postgebäude fertig gestellt und mit dem Bau der Evangelischen
Hauptkirche begonnen. Auch wirtschaftlich ging es in der Stadt weiter
voran, bekannte Unternehmen wurden gegründet. Und die Pferdebahn wurde
durch eine elektrische Straßenbahn ersetzt. 1895 hatte die
Einwohnerzahl die 30.000 Marke überschritten. Die Amtszeit von Wilhelm
Strauß endete mit dessen Tod im Jahr 1901. Auch nach ihm benannte die
Stadt eine Straße.
Wann Wilhelm Strauß in die Loge „Vorwärts“ aufgenommen wurde, ist
nicht mehr festzustellen. Jedoch ist sicher, dass er bei Übernahme des
Bürgermeisteramtes bereits Freimaurer war. Und aus einem Bericht des
Sekretärs der Loge „Vorwärts“ Edwin Quandt, seinerzeit Direktor
des städtischen Schlachthofes, über das 50. Stiftungsfest am 29.
September 1895 wissen wir, dass Br. Strauß der II. Zugeordnete Meister
vom Stuhl war. In dieser Funktion vertrat er die Loge Vorwärts beim 19.
Verbandstag der Rheinisch-Westfälischen Logen in Köln am 27. Mai 1899
und sorgte für Aufruhr: Strauß las eine Eingabe der Loge „Vorwärts“
vor, die ein Verfahren zur Einigung aller deutschen Logen unter einer
Großloge zum Ziel hatte. Mit nur einer Gegenstimme wurde der Antrag
angenommen, zu Pfingsten 1900 einen allgemeinen Maurertag nach Berlin
einzuberufen, der die Weichen zu einer Vereinigten Deutschen Großloge
stellen sollte. In allen Freimaurerzeitschriften wurde diese Initiative
begrüßt und auch das Bundes-Direktorium der Großen Nationalen
Mutterloge zu den drei Weltkugeln äußerte sich zunächst positiv.
Dennoch kam eine vereinigte Großloge erst nach dem 2. Weltkrieg
zustande, als ohnehin alles neu aufgebaut werden musste. Aber die
Mönchengladbacher Loge „Vorwärts“ hat mit dieser Initiative
deutsche Freimaurergeschichte geschrieben und ihrem Namen alle Ehre
gemacht.
[W.R.] |